„Spiel der Sinne“

mit Bernd Winterschladen (Saxophon)

„Spiel der Sinne“ heißt unser Dichterinnen-Programm, bei dem 17 Dichterinnen vorkommen. Wir beginnen im Jahr 1180 mit dem ältesten deutschen Gedicht „Du bis min, ich bin din“. Keiner weiss, wer es geschrieben hat, aber eins ist mittlerweile sicher: Es stammt nicht, wie lange Zeit angenommen wurde, von einem Mann. Nein, an der Wiege der deutschen Dichtung steht eine Frau.
Weiter geht es mit Anna Louisa Karsch, die leider ein wenig in Vergessenheit geraten ist. Zu Lebzeiten war sie so bekannt, dass selbst der preußische König Friedrich II auf sie aufmerksam wurde. 1773 macht er ihr ein gönnerhaftes Geldgeschenk von 2 Talern. Sie bedankt sich mit einem Vierzeiler:

Zwo Taler gibt kein großer König,
die vergrößern nicht mein Glück.
Nein, sie erniedern mich ein wenig,
drum geb ich sie zurück.

Anna Louisa Karsch ist die erste deutsche Dichterin, die von ihrer Dichtung leben und ihre 6 Kinder ernähren kann. Da ist sie 33! „Einst sterb ich“, sind ihre letzten Zeilen, „doch mein Lied geht nicht zum Grabe mit“. Annette von Droste-Hülshoff nimmt dieses Lied wieder auf:

„Fesseln will man uns am eignen Herde.
Unsre Sehnsucht nennt man Wahn und Traum.
Und das Herz, dies kleine Klümpchen Erde
hat doch für die ganze Schöpfung Raum“

1842, mit 45 Jahren, schreibt Annette von Droste-Hülshoff das erste deutsche Gedicht, in dem eine Frau öffentlich aufbegehrt: Am Turme, bei dem die Schlußstrophe lautet:

Wär‘ ich ein Jäger auf freier Flur,
Ein Stück nur von einem Soldaten,
Wär‘ ich ein Mann doch mindestens nur,
So würde der Himmel mir raten;

Nun muss ich sitzen so fein und klar,
Gleich einem artigen Kinde.
Und darf nur heimlich lösen mein Haar
Und lassen es flattern im Winde.

Von Annette von Droste-Hülshoff komme ich zu Else Lasker-Schüler, Hilde Domin, Mascha Kaléko, Ulla Hahn und vielen anderen, die im 20. Jahrhundert gelebt haben. Unter anderem in die 70er Jahre:

Tief unten in der Erde
nagt die Verzweiflung an meinen Wurzeln.
Langsam, aber zielbewußt.
Bis eines Tages,
ich weiß, dass er kommt,
sie mich mittendurch genagt hat –
und ein Teil von mir
rast wie von Sinnen
auf und davon
verschwindet durchs Küchenfenster.
Der Rest bleibt zurück
und macht den Abwasch zu Ende.

Ich sehe überall Prilblumen, wenn ich dieses Gedicht spreche. „Fröhliche Küche, fröhliche Hausfrau“ hieß diese Pril-Aktion in den 70er Jahren. Immerhin dürften Frauen schon wählen. Das war 50 Jahre zuvor noch nicht so und 500 Jahre zuvor wurden Frauen wie Leibeigene behandelt …
Die Themen der Dichtung sind jahrhundertelang die Gleichen geblieben, verändert haben sich die Lebensbedingungen der Dichterinnen. Die Räume sind weitestgehend erschlossen.

Manche Gedichte sind zu Liedern geworden, andere spreche ich über Musik und ein paar Gedichte rezitiere ich frei. Manchmal erzähle ich ein bisschen was zum Lebenslauf, manchmal aber auch nicht. Dann stehen die Themen Liebe, Vergänglichkeit und Lust im Vordergrund.
Die größte Entdeckung während meiner zweijährigen Vorbereitung war Rose Ausländer. Mit ihr beenden wir unser Programm:

„Wir haben gegessen, getrunken, bewundert, protestiert, die Sterne bestaunt, ein paar Menschen geliebt. Wir haben ein bißchen gelebt. Wir leben noch ein bißchen“

Die Herzschläge nicht zählen
Delphine tanzen lassen
Länder aufstöbern
Aus Worten Welten rufen

Horchen was Bach zu sagen hat
Tolstoi bewundern
Sich freuen
Trauern

Höher leben
Tiefer leben
Noch und noch
Nicht fertig werden

Unser Programm ist ein Kaleidoskop, jahrelang zusammengetragen aus vielen kleinen Bruchstücken. Ein lyrisch-musikalisches Miteinander, Nebeneinander und Gegeneinander von Gedichten. Scharfsinnig, einfühlsam, unterhaltsam und überraschend!

Else Lasker-Schüler, Mascha Kaléko, Hilde Domin, Ina Seidel, Ingeborg Bachmann, Karin Kiwus, Rose Ausländer, Annette von Droste-Hülshoff, Eva Strittmatter, Marie-Luise Kaschnitz, Ulla Hahn und viele andere.

Mit „im Spiel“ ist der Saxophonist und Klarinettist Bernd Winterschladen.

Als ich vor 25 Jahren „Ein alter Tibetteppich“ von Else Lasker-Schüler gelesen habe, wusste ich sofort, dass dieses Gedicht nicht von einem Mann sein kann! Selbst Rilke hätte das nicht geschafft.

Also habe ich angefangen zu sammeln und ein Viertel-Jahrhundert später bringe ich diese Sammlung auf die Bühne: „Spiel der Sinne“. Ein lyrisch-musikalisches Miteinander, Nebeneinander und Gegeneinander von Gedichten. Die Themen der Dichterinnen sind so alt wie die Dichtung selbst: Liebe, Natur, Tod und das Ich.

Ich habe mich bedient an dem großen Schatz der deutschen Frauenlyrik, manche Gedichte sind zu Liedern geworden, andere werden rezitiert und ein wenig Slam-Poetry ist auch dabei.

Sehnsucht nach Liebe? Ja! Aber nicht schmachtend und leidend, sondern fordernd, aktiv und begehrend! Gedichte von Frauen sind liebevoll, genussvoll und gnadenlos.

Dichterinnen Stimme

Safiye Can          (www.safiyecan.de)
Gedichtvertonungen sind eine große Herausforderung, deren Umsetzung leider zu oft schief geht. Nicht hier. Oliver Steller berührt das Herz des Gedichtes und das Gedicht blüht erneut auf. Ich verneige mich im Namen der Lyrik.
„Dichterinnen – Spiel der Sinne“ ermöglicht das Sinnieren, Innehalten und das Eintauchen in die eigene Seele.“ Großes Lob an Oliver Steller und Bernd Winterschladen für diese Perfektion, diese gelungene Verbreitung von Poesie.

Pressestimmen

Frankfurter Rundschau
Wild, schön und rebellisch klingt die Vertonung, fernab von jedem Kitschverdacht. „Aus mir braust finstre Tanzmusik“ – da sieht man die außergewöhnliche, so oft angefeindete Dichterin Else Lasker-Schüler förmlich die Rosen aus dem Haar schütteln.

Bonner Generalanzeiger
Der gebürtige Bonner Oliver Steller ist zweifellos Deutschlands charismatischster Rezitator. Es gibt schöne Stimmen. Wohlklingende, angenehme Stimmen. Berührende, ergreifende und sinnliche. Welche, die begeistern, und ein paar, die faszinierend sind. Die Stimme von Oliver Steller weist mit Leichtigkeit jedes der genannten Merkmale auf – aber sie geht darüber hinaus. Die Stimme von Oliver Steller lässt die Zeit stillstehen. Seine Stimme bleibt. Sie bleibt im Kopf des Zuhörers, auch wenn die letzte vorgetragene Silbe längst verklungen ist.

Focus
Scharfsinnig, einfühlsam, unterhaltsam und überraschend!

Der Patriot
Am Ende möchte man Oliver Steller zurufen: Mehr davon! Frauenlyrik ist köstlich!

Westfalenpost
Lyrische Frauenpower
Es geht um Frauen, die in Gedichten ihre Gefühle zum Ausdruck bringen, ungehemmt von Lust und Leidenschaft erzählen, ihre Träume von Freiheit und einem besseren Leben offenbaren. Oliver Steller schafft es von Beginn an, sein Publikum in den Bann zu ziehen. Mal spricht er ein Gedicht, mal trägt er es als Lied vor, begleitet sich selbst mit Gitarre, Tamburin oder seinen klatschenden Händen. Er ist aber nicht allein auf der Bühne. Bernd Winterschladen haucht den Musikstücken mit Tenor/Sopran-Saxophon und Bassklarinette zusätzlich Leben ein, sorgt immer wieder für Gänsehaut.

taz
Kein Kostüm, kein Requisit, keine Schminke – der Stellersche Aktionsradius beschränkt sich auf die Größe einer Fußmatte – seine Stimme erzeugt Bilder, seine Musik koloriert.

Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung
Oliver Steller liefert erneut einen umwerfenden Abend
Ein Abend voller tiefer Einsichten, starker Überzeugungen, voller interessanter Gedanken, unerwarteter Perspektiven, großen Themen und viel Humor. Es war nicht das erste Mal, dass Oliver Steller tausend gute Gründe lieferte, sich auf die Lyrik einzulassen. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass es dann zu Hause doch nicht so richtig funktioniert. Besser als mit ihm auf der Bühne, seiner intimen Vortragskunst und seinen starken Vertonungen, die er zusammen mit Bernd Winterschladen so farbenprächtig arrangiert, kann man Gedichte einfach nicht genießen.

Blick Aktuell
Bei den frei rezitierten Gedichten wird deutlich, wie wichtig die unvergleichliche Stimme von Oliver Steller für die packende Intensität des Vortrags ist, der Emotion und Intellekt gleichermaßen herausfordert. Wenn man die Stimmen nur beschreiben könnte – doch wer sie einmal gehört hat, weiß: sie ist einfach unbeschreiblich.

Westfälische Nachrichten
Schön, wenn sich ein Mann deutschen Dichterinnen widmet. Ohne, dass dahinter ein müder Versuch des Gender-Mainstreamings steht, sondern ganz einfach die Liebe zur Lyrik. Das Schöne: Alles ist von ihm und seinem Musiker-Kollegen Bernd Winterschladen mit Gitarre, Saxofon und Bassklarinette selbst vertont, aber nicht ausschließlich romantisch, verkitscht – sondern ganz unterschiedlich gelingt es Steller und Winterschladen jeder Vertonung ein eigenes Gesicht zu geben. Manchmal durchaus zart und zurückhaltend, wie beim ältesten deutschen Gedicht „Du bist min“, oder swingend, verspielt, wie bei „Erklär mir Liebe“ von Ingeborg Bachmann oder aber schon fast aggressiv und brutal wie bei Else Lasker-Schüler und ihrem „Tanzlied“.
Insgesamt ein faszinierendes Schauspiel für Geist und Ohr. Auch für Nicht-Kenner von Lyrik und deutscher weiblicher Dichtkunst bildete Oliver Stellers Programm „Spiel der Sinne“ einen tollen Zugang zu dieser Thematik.

Musenblätter
Viele versuchen sich an der Rezitation und Interpretation von Gedichten, nur wenigen gelingt es. Was aber der charismatische Sprecher und Gitarrist Oliver Steller und der Saxophonist Bernd Winterschladen bei ihrem jüngsten Programm und der Präsentation des gleichzeitig vorgestellten Albums „Dichterinnen – Spiel der Sinne“ mit unerhörtem Feingefühl aus der ausgewählten Lyrik gemacht haben, verschlug dem Publikum und gleichermaßen dem Kritiker den Atem. Hier wird nicht nur Lyrik in allerschönster Manier zelebriert und mit kongenialen Kompositionen aus Stellers Feder zu höherem Glanz gebracht, hier werden zwei Ausnahme-Künstler auf einzigartige Weise den vorgestellten 17 Dichterinnen gerecht. All die Stimmungen, die in der hohen Kunst der Lyrik schwingen und leuchten können, finden in der Doppelinterpretation von Steller/Winterschladen ihren nicht zu übertreffenden Ausdruck – ein jedes der Gedichte wird zum unvergeßlichen Ereignis.
Das Gedicht „Harz-Moos“ der „Karschin“, wie sie anerkennend genannt wurde, hingegen ist von ergreifender Tiefe und Weisheit – Oliver Steller spricht es mit angenehm weicher, dennoch eindringlicher wie ausdrucksvoller Stimme wie kein anderer zuvor. Die gleiche Intensität von Wehmut, Zärtlichkeit, Froh- und Tiefsinn, Melancholie und Tiefe gibt er den folgenden Gedichten von Marie Madeleine („Champagne frappé“), Else Lasker-Schüler („Mein Tanzlied“), Mascha Kaléko („Für einen“), Hilde Domin („Unterricht“), Ina Seidel („Unsterblich duften die Linden“), Ingeborg Bachmann („Erklär mir, Liebe“), Karin Kiwus („Im ersten Licht“), Rose Ausländer (Nicht fertig werden“), Annette von Droste-Hülshoff („Am Turme“), Eva Strittmatter („Elmsfeuer“), Marie-Luise Kaschnitz („Am Strande“) und Ulla Hahn („Gibt es eine weibliche Ästhetik?“) mit.

Giessener Allgemeine
Mit seinem neuen Programm „Dichterinnen – Spiel der Sinne“ hat der Rezitator und Musiker Oliver Steller wieder einmal Großes geleistet und eine gut durchdachte Reise durch die Geschichte deutscher Frauenlyrik auf die Bühne gebracht, die Herz und Verstand anrührt. Ein Gesamtkunstwerk aus einer stimmigen Mischung von Musik, Dichtung und Erzählung.
Lyrikerinnen hatten sich ihren Raum im Laufe der Jahrhunderte mühsam suchen und erstreiten müssen. Oliver Steller hat ihnen an diesem Abend einen großen, würdigen Raum geboten.

Wetzlarer Neue Zeitung
… Gedichte wurden zu Liedern und auch an der Gitarre erwies sich Oliver Steller als hervorragender Musiker.

Der Westen
Oliver Steller verstand es exzellent, mit seiner einfühlsamen Stimme – natürlich auswendig – und mit eindrucksvoller schauspielerischer Gestik, Gedichte von 17 bekannten und weniger bekannten Dichterinnen präzise und lebendig zu interpretieren – für Freunde der Lyrik ein Hochgenuss. Lyrik, die man versteht.
Das Mulitalent Oliver Steller verstand es meisterhaft, die liebevollen, genussvollen und gnadenlosen Gedichte der Frauen über die Sehnsucht nach Liebe in Szene zu setzen.
Mit seinen begleitenden, durchdringend gespielten Stilrichtungen brillierte Jazzmusiker Bernd Winterschladen und machte das „Spiel der Sinne“ zu einem besonderen Erlebnis. „Die Leute mögen ihn, er ist wirklich gut“, charakterisierte ihn ein Zuhörer. Steller selbst, der seit 2004 mit unterschiedlichen Programmen in Emmerich gastierte, freute sich, wieder so herzlich aufgenommen worden zu sein und motivierte auch Nichtkenner der Szene: „Jeder kann ganz unbedarft zu meinen Veranstaltungen kommen und braucht keine Angst haben, was jetzt passiert, oder ‘Bin ich vielleicht der Einzige, der es nicht versteht?’“

lokalkompass.de
Gäbe es eine menschgewordene Gen-Mischung aus Yul Brunner und Art Garfunkel, dann könnte das Oliver Steller sein. Dort steht der Barde aus Bonn und legt ein zweistündiges Zeugnis des Stempels ab, den ihm die FAZ verlieh: „die Stimme deutscher Lyrik“.
Frauenlyrik, gelesen und gesungen von einem Mann? Funktioniert bei Steller. Ist auch (zugegeben) spannend, diese Lyrik, die verboten, verdammt und verleugnet wurde – je nachdem, wer sich gerade damit beschäftigte. Frauen wie Annette von Droste-Hülshoff, Ingeborg Bachmann, Marie-Luise Kaschniz und andere kämpften für ihre Überzeugung und ihr Geschlecht – mit Worten und Leidenschaft.
Ein Abend mit einem Thema, dessen Zugang manchen sperrig vorkommen mag. Dabei waren es die Frauen, die der deutschen Poesie die Fesseln abnahmen. Oliver Steller hat das verstanden.

Giessener Anzeiger
Aus rund 5000 Gedichten, die Oliver Steller im Laufe der Jahre von Frauen gelesen hat, wählte er ein Substrat von gut 30 Werken aus und verarbeitete sie feinfühlig zu einer in sich geschlossenen Lyrikkette, die er mit dem Ausnahmesaxofonisten Bernd Winterschladen vorträgt. Gewürzt wurden die Gedichte mit kleinen Geschichten über Frauen, deren Leben und die Umstände, unter denen sie ihre Lyrik niederschrieben, das in der ihm eigenen zurückhaltenden und doch pointierten Sprache.

Bonner Generalanzeiger
An der Wiege der deutschen Dichtung steht eine Frau!

WDR
Was ist eigentlich Frauenlyrik? Gedichte von Frauen für Frauen oder dürfen Männer das auch lesen? Oliver Steller hat es jedenfalls getan und bringt eine Sammlung mit Texten von Dichterinnen auf die Bühne. Als er vor 25 Jahren auf in Gedicht von Else Lasker-Schüler stieß, dachte er: „Dieses Gedicht kann einfach nicht von einem Mann sein. Selbst Rilke hätte das nicht geschafft.“ Damals begann er zu sammeln. Jetzt bringt er diese Sammlung unter dem Motto „Spiel der Sinne“ auf die Bühne. Lyrik verschmilzt dabei mit Musik, die der Saxophonist Bernd Winterschladen beisteuert. Die Dichterinnen heißen Mascha Kaléko, Hilde Domin oder Ingeborg Bachmann. Ihre Themen sind so alt wie die Dichtung selbst: Liebe, Natur, Tod und das Ich. Ein Programm zwischen Rezitation, Liederabend und Slam-Poetry.
Wir haben das komplette Programm aufgezeichnet und auf WDR5 Spezial gesendet. Außerdem ist es auf unserer Mediathek abrufbar.

NGZ
„Man glaubt es nicht“, überrascht Steller, „aber ich bereite mich seit 25 Jahren auf dieses Programm vor.“ Wie das? Er habe anhaltend Gedichte von Frauen gesammelt, wie sie Männer so nie schreiben könnten. Beim ältesten aufgestöberten Poem von 1180 räumt er mit einem Irrtum auf. „Du bist min, ich bin din, des solt du gewis sin, du bist beslozzen in minem herzen…“ wurde im Brief einer Nonne gefunden. Nichts da mit Walter von der Vogelweide. „An der Wiege der deutschen Dichtung steht eine Frau!“
Das Konzert wuchs sich zu einem wahren Klimax der Poesie aus. Mal ging es äußerst sensibel zu, dann gab es auch deftige Passagen. Natürlich haben „Frauen“-Gedichte „als Räume, in denen wir atmen können“, keine Alleinstellung. Aber ihre Sicht auf die Welt, auf Liebe und Tod ist eine andere, sind sie erst sehr spät aus der Anonymität getreten. Anna Luisa Karsch (1722-91) ist dafür ein Beispiel, Annette von Droste-Hülshoff ein weiteres. „Fesseln will man uns am eignen Herde“, so dichtete diese frühe Protagonistin der Emanzipation.
Eva Strittmatter machte „Ein Lied aus Stille“. Nur das Spiel der Sinne sei der Sinn des Lebens. Und so ging es fort, glasklar und ausdrucksstark gesprochen von Oliver Steller und herrlich improvisiert von Bernd Winterschladen. Alles passte glänzend, stimmte nachdenklich – ein wunderbar inspirierender Abend.

Marburger Neue Zeitung
„Die Sehnsucht nach Selbstbestimmung. Oliver Steller präsentierte einen spannenden Streifzug durch die Literaturgeschichte. „Für Frauen gab es jahrhundertelang keine andere Möglichkeit sich mitzuteilen, außer in Gedichten“. Das älteste deutsche Gedicht von 1180, dessen Verfasser unbekannt ist, stamme von einer Frau, so Steller weiter. Das sei wissenschaftlich erwiesen. Dann stimmte er das Lied „Du bist min, ich bin din“ an. Die musikalische Fassung des mittelhochdeutschen Gedichts war eine wunderschöne und stimmungsvolle Hommage an die Liebe und an die Treue. Dabei klang das uralte Gedicht, das Steller zusammen mit dem Saxophonisten Bernd Winterschladen sang und spielte, ganz frisch und neu.
Über lange Zeit wurden Frauen wie Leibeigene behandelt und hatten keinerlei Zugang zu Bildung, außer in den Klöstern, erzählte er weiter. Das änderte sich einige Jahrhunderte später. Die heute weithin unbekannte Anna Louisa Karsch (1722-1791) war die erste deutsche Dichterin, die von ihrer Kunst leben konnte. Sie ernährte damit auch ihre sechs Kinder. Etliche Jahre später verlieh Annette von Droste-Hülshoff der Sehnsucht der Frauen nach Selbstbestimmung eine Stimme. In ihrem Gedicht „Am Turme“ begehrt eine Frau erstmals auf, ein Gedicht, das unter die Haut ging.
Die 1869 geborene Dichterin Else Lasker-Schüler führte in Berlin ein weitgehend selbstbestimmtes und unkonventionelles Leben. Sie rebellierte gegen die festgelegte Rolle der Frauen: „Die Rosen fliegen mir aus dem Haar“, schrieb sie. In einem ihrer Gedichte mit dem Titel „Eros“ erzählt sie von brennender Leidenschaft, Anfang des 20. Jahrhunderts war das eine Sensation. Die Künstlerin nahm auch politisch Stellung. Im Jahre 1933 wurde sie von den Nazis aus Deutschland vertrieben.
Ingeborg Bachmann wiederum thematisierte in „Erklär mir Liebe“ den Gegensatz zwischen Rationalität und Gefühl. Für die in Ostdeutschland geborene Eva Strittmatter war dann die Liebe das Höchste überhaupt. „Nur das Spiel der Sinne ist der Sinn des Lebens“, schrieb sie selbstbewusst.
Oliver Steller gelang es sehr gut, mit seiner ausdrucksstarken Stimme und seiner fesselnden Vortragsweise die Zuschauerinnen und Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Zusammen mit dem Musiker Winterschladen, der Saxophon und Bassklarinette spielte und mit seinem gekonnten Spiel Akzente setzte, hauchte er den Gedichten neues Leben ein. Dafür bedankten sich die Gäste mit viel Beifall“